Systemstabilität

Erweiterte Anforderungen an die Bewertung der Stabilität elektrischer Netze aller Spannungsebenen

Ein stabiler Netzbetrieb ist die grundsätzliche Voraussetzung zum Erhalt der Versorgungssicherheit. Klassisch wird zwischen Spannungsstabilität, Frequenzstabilität und Polradstabilität unterschieden. Eine weitergehende Klassifizierung der Stabilität beinhaltet die Wechselwirkungen leistungselektronischer Erzeuger (converter driven stability), sowie harmonische Ausgleichsvorgänge (harmonic stability). Stabilität ist immer im Kontext einer Störung zu sehen. Der Begriff Power Quality hingegen beschreibt die Abweichung der Frequenz, der Spannung und des Stromes von ihren Sollwerten. Es handelt sich somit um einen Gütefaktor bzw. Qualitätskriterium der Energieversorgung im quasistationären Betrieb. Eine unzureichende Power Quality hat allerdings auch Einfluss auf die Stabilität.

Die Fachgruppe Systemstabilität führt Untersuchungen im Deutschen oder Europäischen Kontext durch, zur Vermeidung großräumiger Stromausfälle. Hierzu zählen Netzstudien, die Entwicklung von netzdienlichen Regelungen und Maßnahmen, sowie Tools zur automatisierten Stabilitätsbewertung (Dynamic Stability Assessment). Darüber hinaus wird der Ansatz verfolgt, durch neue Berechnungsmethoden, den zunehmenden Anforderungen aufgrund sinkender Momentanreserve und neuen Stabilitätsphänomenen zu begegnen. Im Folgenden werden die drei Spezialisierungen der Fachgruppe vorgestellt.

Prof. Dr.-Ing. Matthias Luther

Lehrstuhlleitung
FAU Erlangen-Nürnberg / Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme

Dr.-Ing. Gert Mehlmann

FAU Erlangen-Nürnberg / Lehrstuhl für Elektrische Energiesysteme

Fachgruppen der Systemstabilität

Die Entwicklung automatisierter Systemführungsprozesse gerät aufgrund der sich ändernden Erzeugungslandschaft und der Integration leistungsflusssteuernder Aktoren vermehrt in den Fokus. Zu den betrachteten Aktoren gehören sowohl leistungselektronische Stellglieder (HGÜ, FACTS, Grid Booster) als auch der Netzschutz. Durch die aktive und systemdienliche Regelung derzeit rein passiv betriebener Aktoren, werden neuartige Betriebsführungsprozesse ermöglicht und können den klassischen Konzepten gegenübergestellt werden.

Vor dieser Problemstellung verfolgt der LEES den Ansatz die Stabilität des Netzes zu bewerten und durch präventive und kurative Systemeingriffe zu verbessern. Neu entwickelte Regelungskonzepte und Systemautomatiken sollen Eingriffe in Echtzeit ermöglichen und die dabei die zeitlichen Restriktionen im operativen Betrieb optimieren. Als Werkzeuge stehen hierbei klassische offline Berechnungsverfahren für die stationäre und dynamische Netzsicherheitsrechnung zur Verfügung. Neu entwickelte Prozesse zur stationären und dynamischen Netzsicherheitsrechnung, Regelungen und Betriebsführungskonzepte können hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit mittels digitalen Zwillingen und Hardware-in-the-Loop im Echtzeitsimulationslabor erprobt und verifiziert werden.

Aufgrund der Substitution konventioneller Kraftwerke durch umrichterbasierte Erzeugungsanlagen und die steigende Anzahl aktiver Betriebsmittel verändert sich die Netzdynamik grundlegend. Vor dem Hintergrund sinkender Momentanreserve und einer angestrebten Höherauslastungen des Übertragungsnetzes erfordert dies eine umfangreiche Analyse des Systemverhaltens.

Am LEES wird daher an der Modellierung, Simulation und Bewertung von Netzmodellen im deutschen und europäischen Kontext gearbeitet. Für die Modellierung von Netz- und Betriebsmittelmodellen kommen kommerziellen Softwaretools wie DIgSILENT PowerFactory, PSS Netomac oder PSCAD zum Einsatz. Darüber hinaus werden neue Ansätze verfolgt kritische Systemzustände zu identifizieren und hinsichtlich verschiedener Stabilitätsaspekte zu bewerten.

Das Energiesystem der Zukunft wird sehr stark von dezentraler Erzeugung und Sektorenkopplung geprägt sein. Da die regenerativen Erzeugungsanlagen aufgrund ihrer geringen Leistung überwiegend direkt im Verteilnetz angeschlossen werden und die Sektorenkopplung durch die Elektromobilität und Wärmepumpen ebenfalls auf Verteilnetzebene stattfindet, entstehen neue Herausforderungen für die Netzbetreiber. Um die aufkommenden bidirektionalen Leistungsflüsse bewältigen und die Stabilität des Verteilnetzes trotz fluktuierender, dezentraler Einspeisung gewährleisten zu können, werden innovative Lösungen sowohl auf Systemebene, als auch im Bereich Netzregelung und IKT benötigt.

Am LEES werden hierbei Forschungsthemen im Bereich hybrider Speichersysteme, Mikronetze, sowie netzdienlicher und neuartiger Regelungen für das Energiemanagement der Zukunft verfolgt. Diese werden mit Hilfe von Offline- und Echtzeitsimulationen entwickelt und anschließend an echten Betriebsmitteln getestet. Hierzu wurde das ENGiNe-Labor und das Smart renewable Power Plant am EnCN aufgebaut. Dort ist ein hybrides Speichersystem in einem Mikronetz mit PV-Anlagen und Testlasten realisiert, an denen die entwickelten Konzepte im Rahmen von Hardware-in-the-Loop Versuchen im realen Betrieb validiert werden oder in ausgedehnte Netze integriert werden.

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